Je größer der Büroraum, umso größer die Probleme? Ein Gastbeitrag von Paul J. Franke, FRANKE & PARTNER

Analyse aktueller Studien über alternative Büroformen und ihre Auswirkungen auf die Mitarbeiter

Im Januar 2012 hatten wir schon einmal das Vergnügen, einen Gastbeitrag von Herrn Franke auf inside-realestate.de zu veröffentlichen. Um so mehr freut es uns, dass wir eine noch detaillierterte Betrachtung der Büroformen von Herrn Franke für unserem Blog nutzen dürfen. Erneut viel Spaß beim Lesen der interessanten und detaillierten Einblicke in dieses für jeden Büromieter wichtige Thema.

AUSGANGSSITUATION

Das Zellenbüro war in Europa jahrzehntelang die vorherrschende Büroform, im anglo-amerikanischen Raum das Großraumbüro. Ausgehend von Skandinavien wurden alternative Kombi-Büroformen entwickelt, um die bekannten und daher in diesem Beitrag nicht noch einmal zu wiederholenden Nachteile der vorherrschenden Büroformen zu reduzieren. Von Büroplanern und Architekten wird nunmehr das Open Space-Büro bzw. Open Space-Office oder Multispace-Office propagiert, quasi eine Renaissance des Großraumbüros. Das Open Space (offener Raum) ist eine durchgehende Bürofläche ohne feste (Zwischen-)Wände. Durch mobile Raumgliederungssysteme können Raumzonen und Raumbereiche gebildet werden. Das Open Space-Büro wird auch als „intelligentes Großraumbüro“ bezeichnet (siehe Abbildung 1).

Büroräume und Büroformen, wie Open Space Büros, Großraumbüros und Einzellenbüros

AKTUELLE WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN

˜ Studie 2007 aus Deutschland (siehe Abbildungen 2 und 3)
„Die Einführung neuer Bürokonzepte und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigten“

86 % der befragten Mitarbeiter arbeiten in Großraumbüros, lediglich 8 % in Gruppenbüros und 6 % in Einzel-, Doppel- und Dreierbüros. Insofern gelten die Ergebnisse für Open Space-Lösungen. 86 % haben einen fest zugeordneten Arbeitsplatz, lediglich 14 % nicht. Mehr als 70 % der Befragten fühlen sich durch Lärm und Ablenkung gestört. Über 50 % der Befragten sind der Meinung, daß die Streßbelastung im neuen Bürosystem (Open Space) etwas bis deutlich zugenommen hat.

Studie Deutschland: Büroform und Arbeitsplatz

Mehr als 90 % der Mitarbeiter wurden nicht in den Entscheidungsprozeß zur Büroform einbezogen. Mit anderen Worten: Büros werden überwiegend ohne die Betroffenen geplant! Das wird zusätzlich durch eine bso-Studie 2008 dadurch unterstrichen: Rund 80 % der Mitarbeiter werden nicht in Entscheidungen über die Auswahl von Büromöbeln einbezogen!

Im übrigen wurden die vorgenannten Ergebnisse durch eine spätere, umfassendere Untersuchung der gleichen Autorin bestätigt.

˜ Studie 2008 aus Australien (siehe Abbildung 3)
„Should Health Service Managers Embrace Open Plan Work Enviroments?“

Für Ihre Untersuchung haben australische Forscher weltweit Studien zu den Auswirkungen moderner Bürogestaltung analysiert und herausgefunden, daß die dort arbeitenden Menschen zu 90 % über negative Einflüsse auf die Psyche und Gesundheit berichten. Mitarbeiter in Büros ohne Wände bzw. in Großraumbüros

  •  sind schneller gestreßt, weniger produktiv und bekommen schneller Erkältungen
  • leiden unter Reizüberflutung, Verlust von Privatsphäre, Identitätsverlust, geringer Zufriederheit und dem Gefühl, daß ihre Kollegen ihre Arbeit stets überwachen könnten.

Studie Deutschland und Australien: Lärm in Büros

Der ständige Geräuschpegel mindere ihre Konzentration und führe immer wieder zu Streit mit Kollegen, wenn diese zum Beispiel zu laut telefonierten. Hinzu käme, daß sie sich bei kranken Kollegen rascher ansteckten. Die Forscher plädieren dafür, Großraumkonzepte zu überdenken. In allen renommierten Zeitungen wurde Anfang 2009 unter dem Titel „Arbeit im Großraum macht krank“ auch in Deutschland darüber berichtet.

˜ Studie 2009/10 aus der Schweiz (siehe Abbildung 4)
„Schweizer Befragung in Büros – SBiB-Studie“

Interessant ist die in etwa vergleichbare Ausgangssituation zur nachfolgenden Studie aus Deutschland mit rund 60 % Mitarbeitern in Zellen- und Teambüros und rund 40 % in Gruppen- und Großraumbüros. Rund 92 % haben einen festen Arbeitsplatz, lediglich 8 % arbeiten unterwegs, zu Hause oder in anderen Gebäuden.

Beeinträchtigende Umgebungsfaktoren durch Lärm (Gespräche, Telefonate und Geräte), trockene und schlechte Luft, zu hohe und wechselnde Raumtemperatur sind in großen Büros signifikant höher als in kleinen Büros. Die Störungen in der Arbeitsgestaltung nehme mit der Anzahl der Mitarbeiter im Büro kontinuierlich zu (9 % in Einzelbüros – fast 70 % in Büros mit vielen Arbeitsplätzen). Generell waren Mitarbeiter in kleinen Büros mit der Arbeit (Stressigkeit, Erholungsbedarf, Zufriedenheit) zufriedener als Mitarbeiter in großen Büros. Die Häufigkeit von Krankheitssymptomen (eher oft oder sehr oft) nimmt mit zunehmender Bürogröße zu, auch die Krankenquote. Die Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Arbeitsplatzgestaltung sind bei kleinen Büros deutlich höher als bei großen Büros.

Studie Schweiz: Lärm und Gesundheit in Büros

˜ Studie 2011 aus Deutschland (siehe Abbildung 5)
„Das nachhaltige Büro“

Jeweils 50 % der 3.145 befragten Büroangestellten sind in Zellenbüros bzw. in Team-/Open Space-Büros untergebracht. Mit Zunahme der Büroraumgröße steigen die Sorgen um die Gesundheit. Einzelbürobesitzer sind am zufriedensten mit ihrem Arbeitsplatz. Für Führungskräfte sind Einzelbüros ein sehr wichtiges Arbeitsplatzmerkmal. Mitarbeiter in Open Space-Büros sind deutlich unzufriedener mit ihren Büros. Nur 28 % der befragten Unternehmen erfassen die Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeiter systematisch!

Studie Deutschland: Zufriedenheit am Arbeitsplatz und Büroform

Studie 2011 aus Deutschland (siehe Abbildungen 6 – 8)
„Befragung zu Büroformen und Büroausstattung“

Nur knapp 10 % der befragten 603 Unternehmen nutzen derzeit Open Spaces oder Großräume (bundesweit geschätzt knapp 5 % von derzeit rund 18 Mio. Büroarbeitsplätzen). Fast ¾ der Befragten gehen davon aus, daß kleine Zellenbüros sich produktivitätssteigernd auswirken. Teambüros, Open Spaces und Großraumbüros werden hingegen eindeutig bzw. eher produktivitätsmindernd eingestuft. Die Zufriedenheit der Beschäftigten ist in Zellenbüros am höchsten. Die Unzufriedenheit nimmt mit der Büroraumgröße deutlich zu.

Studie Deutschland: Einfluss der Büroform auf Produktivität

Studie Deutschland: Einfluss von Zellenbüros, Open Space Büros auf Produktivität

˜

Studie Deutschland: Zufriedenheit Einzellenbüros und Großraumbüros

Internationale Studie 2011 (siehe Abbildung 9)
„Befragung von 18.682 Personen in 24 Ländern zum Thema Home-Office“

Jeder zweite Deutsche würde von zu Hause oder einem anderen Ort als seinem Büro aus arbeiten, wenn er das Angebot von seinem Arbeitgeber bekäme. Damit liegen die Deutschen unter dem globalen Durchschnitt von 62 %. Weltweit nutzen nur 35 % der Befragten Telearbeit. Vor allem in Indien (82 %) und Indonesien (71 %). In Deutschland und Frankreich (beide 12 %) arbeitet nur etwa jeder Zehnte regelmäßig von zu Hause. Erstaunlich, wenn doch zwei von drei Befragten (65 %) weltweit glauben, daß „Telearbeiter“ produktiver sind als die Kollegen im Büro. Auch in Deutschland stimmen 62 % der Befragten dieser Aussage zu. 78 % der Befragten meinen, Home-Office verbessere die Live-Balance, 62 % denken jedoch, das führe zu sozialer Isolation.

Diese Studie wurde wegen der damit angesprochenen Problematik von „Desksharing-Modellen“ oder „Non territorialen Büros“, auf die nachfolgend noch kurz eingegangen wird, einbezogen, obwohl sie nicht direkt das Thema des Beitrags tangiert.

Internationale Studie: Home Office und Telearbeit

FAZIT

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die negativen Einflüsse auf die Psyche und Gesundheit (Licht, Luft und Lärm = sogenannte 3 L’s) der Mitarbeiter in großen Büros

  • großflächige Büroformen wie Open Space (offener Raum)-Büros als durchgehende Bürofläche ohne feste (Zwischen-)Wände

signifikant höher sind als in kleinen Büros

  • Zellen- oder Kombibürolösungen.

Hinzu kommt, daß Mitarbeiter kaum in den Planungsprozeß für ihre Büros einbezogen werden, absteigend zur Büroraumgröße. Die aktuellen Untersuchungen und Studien lassen also erhebliche Zweifel an der Mitarbeiterorientierung, Effizienz und Nachhaltigkeit neuer Büroformen aufkommen. „Wir“ Büroplaner und Architekten müssen/sollten diese Erkenntnisse der Arbeitsmedizin ernst nehmen.

Großflächige Büroformen, also Großraumbüros bzw. Open Space-Lösungen, sind nicht nur – wie bereits gesagt – durch eine geringe Erfüllbarkeit von Anforderungen der sogenannten „3 L’s“ gekennzeichnet, sondern auch durch

  • enorme Arbeitsplatzqualitätsunterschiede zwischen Innenzonen mit wenig oder gar keinem Tageslicht und Außenzonen an den Fassaden
  • hohe (haus-)technischen Anforderungen mit Teil- und Vollklimatisierung
  • hohe Investitions- und Folgekosten (siehe Abbildung 10).

Betriebskosten Einzellenbüros, Großraumbüros

Von Befürwortern dieser Büroformen werden immer wieder die höhere Flexibilität, Kommunikations- und Belegungsverdichtungsmöglichkeiten gegenüber konventionellen Büroformen angeführt. Das ist allerdings nur bedingt richtig. Bei konventionellen Büroformen ist lediglich der zusätzliche Konstruktionsflächenanteil durch Zwischen- und Flurwände etwas höher, der jedoch durch notwendige Raumgliederungssysteme in großflächigen Büroformen zum Teil kompensiert wird.

Belegungsverdichtungen, Belegungsveränderungen und Desksharing-Modelle sind grundsätzlich in allen Büroformen möglich. Die Höhe der Belegungsverdichtung ist nicht – wie vielfach behauptet – abhängig von der Größe des Büroraums. Mit anderen Worten: In Großraumbüros oder Open Space-Büros können nicht mehr Arbeitsplätze untergebracht werden als in konventionellen Zellenbüros. Auch die angeblichen Vorteile bei Anpassungen der Belegung durch Organisationsänderungen in großflächigen Bürolösungen sind ebenfalls nur bedingt vorhanden, da Belegungsänderungen auch die unmittelbar angrenzenden Bereiche tangieren und diese ebenfalls betroffen sind. Bei traditionellen Zellenbüros mit unterschiedlich großen Räumen ist jedoch die Nutzungsflexibilität erheblich eingeschränkt, während standardisierte Formen nach dem „Plattform-Prinzip“ dies verhindern.

Kombi-Büros bestehen aus kleinen Einzeldenkzellen mit einer Fläche von etwa 10 m² (ca. 2,50 m x ca. 4 m) und wenigen Doppelzimmern mit transparenten Flurwänden und gemeinsamen Mittel- bzw. Kommunikationszonen für Bürotechnik, Besprechung, Meeting-Points als Espressobars etc. Der Verfasser bezeichnet diese Büroform gerne als „Klosterarchitektur“ in moderner Ausprägung. Als weiterentwickelte Kombi-Büros sind Business-Clubs o.ä. eine Kombination aus reduzierten Einzelarbeitsbereichen und Teambüros mit Verzicht auf feste Arbeitsplatzzuweisungen. In der multifunktionalen Mittelzone befinden sich Business-Center (Bürotechnik, Besprechung, Bibliothek etc.) mit Sekretariat/Assistenz als feste Anlaufstelle und Lounge zum informellen Gedanken- und Informationsaustausch.

Kombi-Büros und Business-Clubs bedingen mit 14 bis 15 m etwa 2 m höhere Gebäudetiefen als Zellenbüros und führen zu

  • höherem Verkehrsflächenbedarf und somit zu ungünstigen Nutz-/Nebenflächenverhältnissen
  • Schwierigkeiten bei späteren Umnutzungen von in Mittelzonen liegenden Flächen zu Räumen mit 1A-Qualität direkt an der Fassade
  • haustechnischem Mehraufwand für die Innenzonen (Teilklima, Brandschutz).

Das vielfach prognostizierte Ende von Zellenbüros dürfte ebenso illusorisch sein wie eine Renaissance von Großraumbüros in Form von Open Space-Lösungen. Da Zellenbüros nach wie vor einen hohen Stellenwert besitzen (werden), ist eine Weiterentwicklung mit standardisierten Lösungen und atmosphärischen Verbesserungen nur logisch und konsequent, zumal sich diese Büroformen auch durch eine hohe Wirtschaftlichkeit auszeichnen. Die geringe Büroraumtiefe erlaubt prinzipiell Tagesbelichtung und natürliche Belüftung. Durch Addition von Standardmodulen können selbstverständlich auch Teambüros gebildet werden, wobei eine Rückführung auf das Standardmodul immer möglich sein sollte, um eine Maximierung an Nutzungsflexibilität zu erreichen.

Die Forderung nach einer Weiterentwicklung des Zellenbüros auf der Basis eines intelligenten, standardisierten und klug ausgestatteten Grundmodulsystems (modulares Zellenbüro) dürfte daher mehr als nur eine berechtigte Forderung sein, zumal sowohl arbeitsmedizinische und gesundheitliche als auch organisatorisch-funktionelle und wirtschaftliche Aspekte gegen großflächige Bürolösungen wie Open Space-Büros sprechen.

Bleibt abschließend noch der Hinweis auf den Aspekt der Nachhaltigkeit bei der Planung und Realisierung von Bürogebäuden.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), wissenschaftlich geleitet durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), hat in einer zweijährigen kooperativen Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB) einen ersten Kriterienkatalog zur ganzheitlichen Betrachtung und Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten für Gebäude entwickelt.

Mit dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) steht erstmalig ein ganzheitliches quantitatives Bewertungsverfahren für Büro- und Verwaltungsbauten zur Verfügung. Die Bemühungen der deutschen Bundesregierung sind dabei darauf gerichtet – mit dem neuartigen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz – ein wissenschaftlich fundiertes und planungsbasiertes Bewertungssystem für nachhaltige Gebäude zu schaffen. Es zeichnet sich durch die umfassende Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden unter Berücksichtigung der ökologischen, ökonomischen, soziokulturellen Qualität sowie den technischen und prozessualen Aspekten und durch ein transparent, objektiv nachvollziehbares Bewertungssystem aus und spiegelt damit auch die internationalen Entwicklungen im Bereich Normung zum Nachhaltigen Bauen wieder.

Der Verwendungsbereich des Bewertungssystems beschränkt sich vorerst auf nationale Verwaltungs- und Bürogebäude (Neubau), da die Bewertungsgrundlagen/-methoden in der Regel basierend auf derzeit gültigen deutschen Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen sowie nationalen Normen und Leitfäden für den Nichtwohnungsbau entwickelt wurden.

Mit Einführung des überarbeiteten Leitfadens Nachhaltiges Bauen im ersten Quartal 2011 für den Neubau von zivilen Bundesbaumaßnahmen, trat die verbindliche Anwendung des Bewertungssystems für Bundesbaumaßnahmen entsprechend der im Leitfaden formulierten Anforderungen und unter Berücksichtigung des Begleiterlasses des BMVBS mit in Kraft.

Die freiwillige Nutzung dieses Bewertungssystems für weitere Marktakteure sowie die Anerkennung weiterer Bewertungssysteme durch das BMVBS unterliegen dabei einem gesonderten Regelungsverfahren. Die hierzu vom BMVBS veröffentlichte Regelung steht unter folgendem Link zur Verfügung:

BMVBS – Bekanntmachung über die Nutzung und die Anerkennung von Bewertungssystemen für das Nachhaltige Bauen, 15. April 2010

 

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