Für Sie gelesen: Virtuelle begehbare Stadtlandschaften

Wir haben kürzlich im k+n newsletter folgenden Artikel gefunden:

3D-Visualisierung: Planer, Bauherren, Nutzer können schon im Entwurfsstadium eine Inneneinrichtung, ein Gebäude oder ein ganzes Stadtquartier virtuell erleben.

Das Lesen von Grundrissen, Bau- oder Stadtplänen überfordert häufig den Laien. Architekten und Werbeagenturen spielen daher gern mit Imagefilmen, um die Kundschaft zu überzeugen. „Doch dies zeigt meist nur die Schokoladenseite einer Planung,“ sagt Roland Blach vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. Sein Ansatz: Die Inneneinrichtung, das Gebäude oder das ganze Stadtviertel wird dreidimensional visualisiert und für den Nutzer virtuell begehbar und erfahrbar gemacht.

Wie das funktioniert, zeigt Blach im neuen Zentrum für Virtuelles Engineering (ZVE). Dort steht in einem abgedunkelten Raum eine ganz besondere Medienleinwand. Die schwarze Leinwand misst vielleicht fünf Meter in der Breite, drei Meter hoch, auch eine Seite um die Ecke gehört noch dazu und auf dem Boden die zwei Meter davor. Mächtige Projektoren werfen von der Leinwandrückseite oder für den Boden von der Decke den dreidimensionalen Ausschnitt eines Gebäudes. Der Betrachter trägt eine 3D-Brille, von der an den Seiten jeweils drei murmelgroße Positionsbällchen abstehen. Infrarotkameras von der Decke verfolgen diese Bällchen und damit die Blickrichtung des Betrachters.

In Echtzeit errechnet die Software das zugehörige Bild. So kann der virtuelle Begeher einer neuen Immobilie durch die Hallen schweifen, die Treppenhäuser entlang laufen, die Umgebung von der Dachterrasse erkunden. Geht der Flaneur in die Hocke, kann er sich ein Büro aus der Froschperspektive ansehen und beispielsweise unter den Tischen hindurch sehen – so detailgenau und interaktiv flexibel ist das Planungstool. Derzeit haben die Forscher die Stadt Stuttgart und das Gebäude des neuen Zentrums für Virtuelles Engineering im Modell. Parallel zur Planung und zum Bau haben die Forscher das Gebäude virtuell simuliert. Architekten und Bauherr konnten so schon vorab virtuell ihr Werk begehen und die Arbeiten vorantreiben.

„Meine These ist, dass in Zukunft alle Daten für ein Gebäude und seine Umgebung da sind. Man muss sie nur finden und zusammenführen,” sagt Blach. Planungsdaten liegen meist digital vor, etwa als CAD-Datensatz oder aus einem Geografischen Informationssystem (GIS). Diese beschreiben Innenräume, Gebäudearchitektur, Stadt- und Verkehrsplanung. Hinzu kommen noch diverse Umwelt- und Umgebungsdaten, die von den Forschern eingeblendet werden können. Der Städteplaner bewegt sich virtuell durch die Straßen, die Werte zu Feinstaub, Fluglärm, Straßenlärm schweben an den zugehörigen Positionen im Raum. Diese Positionen können einer Simulation entstammen oder reale Messwerte repräsentieren. Bei Lärmdaten können etwa rote, gelbe oder grüne Kästchen im virtuellen Raum wabern oder einen Plan in der Draufsicht schmücken.

In einem Projekt haben die Forscher um Blach beispielsweise die Lärmbelastung in der Stuttgarter Innenstadt bei hohen Anteilen von Elektrofahrzeugen eingespielt. Einer vorläufigen Betrachtung zufolge sind Elektroautos im Straßenverkehr kaum leiser als Benziner, da ab 50 km/h die Rollgeräusche der Autos überwiegen, erklärte Blach kürzlich zur Vorstellung der Visualisierungsmethodik auf der diesjährigen Hannover-Messe. Mittlerweile schränkt der Forscher diese Bewertung etwas ein. Die Lärmdaten seien nicht im gewünschten Maße genau gewesen.

Neben der Powerwall sind auch Fernseher, Info-Terminals oder Smartphones mögliche Ausgabemedien für den Nutzer. Einen besonderen Charme bietet die 3D-Visualisierung für die Kommunikation großer Bauvorhaben mit der Öffentlichkeit. „Ein Anwohner oder Betroffener kann sich interaktiv ein Gebäude anschauen,“ sagt Blach. Ein Nachbar könnte beispielsweise virtuell aus seinem Dachfenster auf die Baumaßnahme blicken. „Gerade diese freie Wahl des Schauens schaffe beim Betrachter Vertrauen,“ unterstreicht Günter Wenzel, Architekt im Fraunhofer IAO. Doch es geht noch einen Schritt weiter. Wenzel: „Der Nutzer erkennt so Defizite und spielt das in die Planung zurück.“ Diese Interaktion erfordere auch neue Kommunikationswege zwischen Planern, Ausführenden und Nutzern.

Auch ein Fertighaus-Unternehmen hat das Potenzial der 3D-Visualisierung für seine Geschäfte erkannt. Die Firma verzichtet bei der Bemusterung auf große Hallen und Exponate. Die Kunden begehen virtuell ihr neues Häuschen und testen vorab Böden, Wände, Fenster, Materialien, Texturen und Farben aus – mit gutem Ergebnis, wie Blach berichtet. „Die sparen so 90 Prozent der Bemusterungsfläche ein.“

Nicht jeder wird sich das technische Equipment leisten können. Leinwände, Projektoren, Rechner und Software kosten um die 1,5 Millionen Euro. Das Fraunhofer IAO will sich daher in vielen Projekten als Partner anbieten. Überlegungen zu Geschäftsmodellen für die Planungswerkzeuge seien noch im Fluss, erläutert Blach. Insgesamt sieht er in der 3D-Planung und -Visualisierung eine höhere Qualität am Werk, zudem größere Zeitersparnis, Raumersparnis und höhere Kundenzufriedenheit.

Hier können Sie sich den Artikel selber anschauen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert