Studie zeigt grundlegende Veränderungen
Wie verändert sich Büroarbeit? Wie entwickeln sich die Arbeitsplätze? Selten war in den Medien so viel über den Arbeitsort „Büro“ zu lesen, wie derzeit. Häufiger Anlass sind neue Einrichtungs- und Arbeitskonzepte großer Unternehmen wie Vodafone in Düsseldorf, ADAC in München, Microsoft in Wien und andere prominente Namen. Oft steht dabei der Verzicht auf persönlich zugewiesene Arbeitsplätze und die Einrichtung non-territorialer Arbeitsplätze im Fokus der Auseinandersetzung. Andere Veränderungen springen dagegen weniger ins Auge. Dabei – das zeigt die jüngste Unternehmensbefragung im Auftrag des bso Verband Büro-, Sitz- und Objektmöbel – vollzieht sich derzeit ein deutlich umfassenderer Wandel.
Im Rahmen einer Telefonbefragung gaben 601 Unternehmen in Deutschland, Schweiz und Österreich Auskunft über aktuelle Entwicklungen in ihren Unternehmen, über den Einsatz von Kommunikationsinstrumenten und die Veränderung der Büroarbeitsplätze. Ausgangspunkt für die Untersuchung war die Zusammenarbeit des bso mit dem Trendbüro in Hamburg, das unter dem Titel „New Work Order“ neue Formen der Arbeit unter die Lupe nimmt. „Zu einzelnen Aspekten des Wandels hatten wir ausreichendes Datenmaterial, aber bisher hat sich niemand die Mühe gemacht, die Verbindung von Arbeitsformen, Kommunikationstechnologie und der Arbeitsplatzgestaltung herzustellen und zu quantifizieren“, erläutert Hendrik Hund, Vorsitzender des Büroeinrichtungsverbandes, die Motivation für die dezidierte Auseinandersetzung mit dem Thema. Manche Ergebnisse der Befragung haben Auftraggeber und Trendforscher überrascht. Andere Entwicklungen waren absehbar.
Kommunikation dominiert die Wissensarbeit, Projektarbeit ist auf dem Vormarsch
In drei Viertel aller Unternehmen ist der Anteil der Kommunikation an der Arbeitszeit im Laufe der letzten Jahre spürbar gestiegen. Durchschnittlich entfallen in Betrieben ab zehn Mitarbeitern 46 Prozent der Arbeitszeit auf interne und externe Kommunikation. Für ein Drittel der Beschäftigten im Bürobereich besteht der Arbeitsalltag sogar weitgehend aus kommunikativen Tätigkeiten. Damit einher geht eine Veränderung des Stellenwerts der Kommunikation. Die meisten Arbeitgeber fördern inzwischen gezielt die Eigeninitiative und den informellen Austausch ihrer Mitarbeiter. Dabei wird es auch akzeptiert, zugunsten einer effizienten Kommunikation Hierarchieebenen zu überspringen.
Organisatorisch besonders anspruchsvoll ist ein anderer Aspekt moderner Wissensarbeit. 61,1 Prozent der befragten Betriebe berichten, dass aufgrund der höheren Komplexität der Aufgaben der Anteil der Projektarbeit deutlich gestiegen sei. Durchschnittlich entfallen derzeit 35 Prozent der Arbeitszeit auf die Bearbeitung von Projekten. In Unternehmen mit mehr als 200 Büroarbeitsplätzen sind schon 47,7 Prozent aller Beschäftigten während mehr als der Hälfte Ihrer Arbeitsstunden mit komplexen Aufgaben beschäftigt. In den meisten Fällen werden Projekte in speziell zusammengestellten Teams bearbeitet, besetzt mit Mitarbeitern aus mehreren Abteilungen und verstärkt durch externe Spezialisten. Wissen muss dann für alle Beteiligten und ohne Zeitverlust verfügbar sein.
Vor allem große Unternehmen proben den Umgang mit Sozialen Medien
Zukunftsforscher und Arbeitsexperten prophezeien deshalb ein Vordringen Sozialer Medien in die Intranets der Unternehmen. Dialoginstrumente aus dem Web 2.0 können auch für die interne Zusammenarbeit genutzt werden. In der Tat erproben zur Zeit 35,8 Prozent aller Unternehmen den Nutzen einzelner Instrumente. Dabei gilt vereinfacht gesagt, je größer das Unternehmen, desto größer ist das Interesse an den „neuen“ Kommunikationsformen. In der Gruppe der Betriebe mit mehr 200 Beschäftigten im Büroumfeld testen bereits 71,7 Prozent eine oder mehrere Anwendungen. Am häufigsten kommen bislang Foren und Unternehmens-Wikis zum Einsatz. An dritter Stelle stehen komplexe Tools mit einer an Soziale Netzwerke angelehnten Struktur. Diese belegen zudem den ersten Platz auf der Wunschliste der künftigen Anwendungen. Blogs oder die in ihrer Zeichenzahl begrenzten Micro-Blogs kommen deutlich seltener zur Anwendung. Zudem sind diese noch oft der eher einseitigen Information der Mitarbeiter durch die Geschäftsleitung vorbehalten.
Das Fazit zum Nutzen der eingesetzten Instrumente fällt fast einhellig positiv aus. Trotzdem sind sich die meisten Unternehmen noch nicht so recht klar darüber, in welchem Umfang sie die Anwendung der digitalen Dialoginstrumente weiter ausbauen sollen. Diesen Eindruck, verrät der bso-Vorsitzende, bestätigen auch die Einzelinterviews, die das Trendbüro zeitgleich zu der quantitativen Befragung mit Vertretern einzelner Unternehmen geführt hat. Bis auf wenige Ausnahmen befänden sich die Anwendungen demnach noch in einem frühen Stadium. Zentrale Fragen, die sich die Verantwortlichen derzeit stellen, seien, wie Soziale Medien die Effizienz steigern können, wie sie die Führung und die Unternehmenskultur beeinflussen, aber auch wo ihr Einsatz an seine Grenzen stößt.
Büros verändern ihre Form – und sie werden anders genutzt
Erprobt werden jedoch nicht nur neue Technologien sondern auch neue Konzepte der Arbeitsplatzgestaltung. Schon seit einigen Jahren gehören neben den klassischen Besprechungs- und Konferenzräumen Orte zur schnellen Abstimmung in kleinen Gruppen, die sogenannten Kommunikationszonen, zum Standard moderner Büroeinrichtungen. Wie bei der Nutzung der Sozialen Medien waren auch hier die Großunternehmen Vorreiter. Inzwischen haben auch viele kleine und mittlere Betriebe solche Bereiche eingerichtet.
Wie die aktuelle Befragung zeigt werden gleichzeitig immer mehr Team- und Besprechungsräume in Räume für die Projektarbeit umgewandelt. 29,3 Prozent aller Befragten haben in ihren Gebäuden einzelne Flächen speziell für diese Form der Zusammenarbeit reserviert. Auffällig ist, dass gerade die Unternehmen, die Soziale Medien zur Unterstützung Ihrer Kommunikation nutzen, überdurchschnittlich häufig Projekträume einrichten. „Neue Kommunikationsformen und neu gestaltete Büroeinrichtungen sind zwei Seiten einer Medaille“, folgert Hund und er erkennt in den Befragungsergebnissen noch einen weiteren Grund, in neue Büroarbeitsplätze zu investieren: 67,6 Prozent aller Unternehmen weisen im Rahmen ihrer Stellenausschreibungen häufig oder sogar fast immer auf das angenehme Ambiente in ihren Büros hin. Die Gestaltung der Arbeitsplätze wird damit deutlich häufiger als Argument zur Gewinnung neuer Mitarbeiter genutzt als deren Ausstattung mit IT und Kommunikationstools.
Non-Territorialität ist noch wenig verbreitet
Wie sieht es nun mit der Non-Territorialität aus? 5,6 Prozent aller Unternehmen in den D/A/CH-Ländern praktizieren derzeit dieses Konzept. Durchschnittlich verzichten dann 30 Prozent der Arbeitnehmer auf einen eigenen, persönlich zugewiesenen Arbeitsplatz. Bereits die im Jahr 2011 im Auftrag des bso durchgeführte Befragung zeigte, dass Non-Territorialität nicht deckungsgleich ist mit einer Einsparung von Arbeitsplätzen. Das Konzept wird auch genutzt, um unterschiedliche Arten von Arbeitsplätzen anbieten und nutzen zu können. Der bso-Vorsitzende kommt deshalb auch zu einem eindeutigen Schluss: „Büroarbeit und mit ihr der Arbeitsort ‚Büro’ verändern ihr Gesicht. Es ist nun die Aufgabe der Büroeinrichtungsbranche, das gewonnene Know-how in maßgeschneiderte Einrichtungen umzusetzen.“
Im Rahmen der Befragung wurden auch die Bedeutung der Weiterbildung und der Umgang mit Home-Working abgefragt. Die Ergebnisse können unter www.buero-forum.de heruntergeladen werden. Die Befragung ist Teil des „New Work Order“-Projektes, des Trendbüro (www.trendbuero.de) im Auftrag des bso Verband Büro-, Sitz- und Objektmöbel e. V. und mit Unterstützung der internationalen Leitmesse für Büro und Objekt, ORGATEC. Die Veröffentlichung der „New Work Order“-Studie wird im Rahmen des Trendforums der ORGATEC am 24. und am 27. Oktober 2012 erfolgen. Einzelne Teilergebnisse können schon vorab unter www.buero-forum.de/de/blog nachgelesen werden.