Inside RealEstate freut sich, heute einen Fachbeitrag von Paul J. Franke den Lesern zur Verfügung zu stellen. Wir haben hier schon oft über das Thema Zellenbüros, Großraumbüros und deren Auswirkungen auf die dort Arbeitenden geschrieben. Daher finden wir die Ergänzung durch einen Fachmann wie Herrn Franke sehr erfreulich. Viel Spaß beim Lesen!
Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen und Studien lassen erhebliche Zweifel an der Mitarbeiterorientierung, Effizienz und Nachhaltigkeit neuer Büroformen aufkommen, die hiermit noch einmal kurz zusammengefasst werden (siehe Abbildungen 1 bis 3):
- „Die Einführung neuer Bürokonzepte und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigten“ Studie 2007 aus Deutschland
- „Should Health Service Managers Embrace Open Plan Work Environments?“ Untersuchung 2008 aus Australien
- „Schweizerische Befragung in Büros“ SBiB-Studie 2009/2010 aus der Schweiz
Aus arbeitsmedizinischer Sicht ist festzuhalten, dass die negativen Einflüsse auf die Psyche und Gesundheit (Licht, Luft und Lärm = sogenannte 3 L’s) der Mitarbeiter in großen Büros – großflächige Büroformen wie Open Space (offener Raum)-Büros als durchgehende Bürofläche ohne feste (Zwischen-)Wände, die gern auch als intelligente Großraumbüros bezeichnet werden – signifikant höher sind als in kleinen Büros – Zellen- oder Kombibürolösungen (siehe Abbildung 4). Hinzu kommt, dass Mitarbeiter kaum in den Planungsprozess für ihre Büros einbezogen werden, ebenfalls absteigend zur Büroraumgröße.
Neben arbeitsmedizinischen Aspekten ist für eine ganzheitliche Betrachtung die Beleuchtung folgender Kriterien notwendig:
Arbeitsplatzqualität
Bei großflächigen Büroformen, also Großraumbüros bzw. Open Space-Lösungen, gibt es enorme Arbeitsplatzqualitätsunterschiede zwischen Innenzonen mit wenig oder gar keinem Tageslicht/Umweltbezug und Außenzonen an den Fassaden. Hinzu kommt, dass die Mehrzahl der Arbeitsplätze in den Innenzonen und nur ein geringer Anteil an den bevorzugten Außenzonen untergebracht werden können. Bei Kombibüros, bestehend aus kleinen Einzeldenkzellen und wenigen Doppelzimmern mit transparenten Flurwänden und gemeinsam zu nutzenden Mittel- bzw. Kommunikationszonen – vom Verfasser gerne als „Klosterarchitektur“ in moderner Ausprägung bezeichnet – ergeben sich ebenfalls große Qualitätsunterschiede zwischen den Büros an der Fassade und den Flächen in den Mittelzonen, vor allem bei späteren, nicht auszuschließenden Nutzungsänderungen. Das gilt auch für weiterentwickelte Kombibüro-Lösungen wie Business-Clubs als Kombination aus reduzierten Einzelarbeitsbereichen und Teambüros mit Verzicht auf feste Arbeitsplatzzuweisungen.
Bei Zellenbüros gibt es diese Qualitätsunterschiede nicht. Nach einer Befragung durch das Fraunhofer Institut (siehe Abbildung 5) lässt sich die höchste Wohlbefindlichkeit bei den Kombibüros feststellen. Auch der Büroformen-Mix und das Zellenbüro werden positiv beurteilt, negativ hingegen das Großraumbüro, vor allem aber Gruppen- und Mehrpersonenbüros. Zwei weitere Befragungen des Gallup-Instituts (siehe Abbildung 6) und der DEGI Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds (siehe Abbildung 7) zeigen den hohen Stellenwert des Zellenbüros.
Arbeitsorganisation
Die angeblichen Vorteile in großflächigen Bürolösungen bei Anpassungen der Belegung durch Organisationsänderungen sind nur bedingt vorhanden, da Nutzungs- und Belegungsänderungen auch die angrenzenden Bereiche tangieren und somit unmittelbar betroffen sind. Die Kommunikation hingegen ist einfach, wird aber mit den zuvor bereits beschriebenen Nachteilen erkauft. Bei Kombibüro-Lösungen und traditionellen Zellenbüros mit unterschiedlich großen Räumen ist die Nutzungsflexibilität erheblich eingeschränkt.
Die Kommunikation ist bei Kombibüros wegen der transparenten Flurwände und Kommunikationszonen im Mittelbereich besser als bei traditionellen Zellenbüros. Diese Nachteile können bei Zellenbüros durch eine Standardisierung nach dem „Plattform-Prinzip“ und veränderter Raumgestaltung erheblich reduziert bzw. sogar vermieden werden.
Flächeneffizienz
Belegungsverdichtungen, Belegungsveränderungen und Desksharing-Modelle sind grundsätzlich in allen Büroformen möglich. Die Höhe der Belegungsverdichtung ist nicht – wie vielfach behauptet – abhängig von der Größe des Büroraums. Bei konventionellen Büroformen ist lediglich der zusätzliche Konstruktionsflächenanteil für Zwischen- und Flurwände etwas höher, der jedoch durch notwendige Raumgliederungssysteme in großflächigen Büroformen fast kompensiert wird.
Mit anderen Worten: In Großraumbüros oder Open Space-Büros können nicht mehr Arbeitsplätze untergebracht werden als in konventionellen Zellenbüros. Kombibüros und Business-Clubs bedingen eine etwa 2 m höhere Gebäudetiefe als Zellenbüros und führen somit zu einem höheren Verkehrsflächenbedarf und somit zu ungünstigeren Nutz-/Neben-flächenverhältnissen.
Wirtschaftlichkeit
Die Bau- und Betriebskosten für großflächige Büroformen wie Großraumbüros bzw. Open Space-Lösungen liegen deutlich höher als für Zellenbürolösungen, vor allem in nicht klimatisierter Form (siehe Abbildung 8). Die geringe Büroraumtiefe erlaubt prinzipiell Tagesbelichtung und natürliche Belüftung. Kombibüros und Weiterentwicklungen davon sind ebenfalls teurer als Zellenbüros.
Fazit
Ableitend aus den vorgenannten Analysen wird als Lösung das Reversible Büro oder Mix-Office propagiert. Dieses Bürokonzept steht für keine eigene Raumart, sondern stellt die Vereinigung unterschiedlicher Büroformen nebeneinander in einem Bürogebäude dar. Dadurch ergibt sich fast zwangsläufig eine kammartige Baukörperform, die zudem einfach additiv ergänz- bzw. erweiterbar ist (siehe Abbildung 9).
Grundlage dafür ist ein Baukörper, der sowohl die Umsetzung als auch die Verknüpfung unterschiedlicher Büroformen ermöglicht. Eine derartige Baukörper- und (Haus-)Technikvorhaltung ist zwangsläufig mit sehr hohen Investitions- und Folgekosten verbunden. Hinzu kommt, dass bei unterschiedlichen Büroformen „unter einem Dach“ auch unterschiedliche Arbeitsplatzqualitäten entstehen, was wiederum zu Konflikten führen kann.
Das vielfach prognostizierte Ende von Zellenbüros dürfte ebenso illusorisch sein wie eine Renaissance von Großraumbüros in Form von Open Space-Lösungen. Da Zellenbüros nach wie vor einen hohen Stellenwert besitzen (werden – siehe Abbildung 10), ist eine Weiterentwicklung mit standardisierten Lösungen und atmosphärischen Verbesserungen nur logisch und konsequent, zumal sich diese Büroformen auch durch eine hohe Wirtschaftlichkeit auszeichnen. Die geringe Büroraumtiefe erlaubt prinzipiell Tagesbelichtung, Außenbezug und natürliche Belüftung.
Durch Addition von Standardmodulen können selbstverständlich auch Teambüros gebildet werden, wobei eine Rückführung auf das Standardmodul immer möglich sein sollte, um eine Maximierung an Nutzungsflexibilität zu erreichen. Die Forderung nach einer Weiterentwicklung des Zellenbüros auf der Basis eines intelligenten, standardisierten und klug ausgestatteten Grundmodulsystems (modulares Zellenbüro) dürfte daher mehr als nur eine berechtigte Forderung sein, zumal sowohl arbeitsmedizinische und gesundheitliche als auch organisatorisch-funktionelle und wirtschaftliche Aspekte gegen großflächige Bürolösungen wie Open Space-Büros sprechen.
Daher wird das abschließend dargestellte Zellenbüro als intelligentes Modular-System (Modularität = Baustein- oder Baukastenprinzip und System = das Gebilde oder Verbundene) zur Diskussion gestellt (siehe Abbildungen 11 und 12).
Abbildung 12
Ausgehend von zwei Arbeitsplätzen und einer Option für einen dritten Arbeitsplatz (Auszubildender/Praktikant) mit Schreibtischen „mit vier Beinen“ anstelle überwiegend unnötiger, flächen- und kostenintensiver Arbeitsplatzverkettungen werden folgende Möglichkeiten unter Beachtung einzuhaltender Abstands- und Bedienungsflächen gezeigt:
Empfohlen werden
- eine Vergrößerung der Arbeitsflächen von bisher gängigen 1,60 m x 0,80 m mit Verkettungselementen auf 2,00 m x 1,00 m bzw. mindestens 1,80 m x 0,90 m ohne Verkettung,
- Direktablagen hinter den Schreibtischen und Aufgabe von Schrankelementen an den Flurwänden, die teuer und überwiegend nicht nötig sind (…sein sollten durch verstärkte IT-Unterstützung wie DMS = Dokumenten-Management-Systeme),
- verglaste Ausschnitte in den Zwischen- und Flurwänden zur Reduzierung von Störungen (man sieht, ob der Arbeitsplatzinhaber Besuch hat oder telefoniert) und Erhöhung der Transparenz bzw. Verbesserung der Raumqualitäten.
Der Typ A1 mit einer Abmessung von 5,00 m Breite und 4,50 m Tiefe kann danach als intelligentes Standardzellenbüros bezeichnet werden, das auch als Grundmodul – unabhängig von der Büroform – für Raum- und Flächenbedarfsermittlungen herangezogen werden kann. Durch die Beschränkung auf diesen Raumtyp bzw. dieses Grundmodul mit standardisierter und dennoch gestaltungsstarker Einrichtung und Ausstattung wird ein nachhaltiges und wirtschaftliches Büro(-gebäude) mit hoher Nutzungs- und Arbeitsplatzqualität möglich. Die Renaissance des Zellenbüros als intelligentes Modular-System dürfte wahrscheinlicher sein als die Renaissance des Großraumbüros als Open Space-Büro.
Autor:
Paul J. Franke
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